Passt wie der Kicker ins JUZ: Tocotronic und Die Nerven machen gemeinsame Sache. Leider (noch) nicht musikalisch, dafür aber visuell.
Im Video zum phänomenalen Lieblingssong „Angst“ stehen nicht etwa die Schwaben auf der Bühne eines tristen Jugendzentrums, sondern drei Viertel von Tocotronic. Und das kam so (laut Label): „Die Idee zum Video entstand im Tourbus. Die Nerven fragten einfach mal bei Tocotronic an und ein paar Tage später hatten sie eine Zusage.“ Man scheint sich zu verstehen. Spätestens an dieser Stelle sei jedem Sympathisanten von ausuferndem Post-Punk auch das frisch erschienene zweite Album der Nerven empfohlen: „Fun“. Der Titel ist reiner Sarkasmus, das Album klingt wütend, nihilistisch, nach Proberaum, Wall of Sound, den Fehlfarben und Joy Division. „Eines der wichtigsten deutschsprachigen Alben des Jahrzehnts“ urteilte bereits „Spiegel Online“.
Gitarren kurz vor dem Zusammenbruch, ein Bass, der fast unbemerkt die Strippen im Hintergrund zieht und ein stoisches Schlagzeug, das versucht jeden Hitgedanken sofort niederzuknüppeln. Dazu Texte, über die auch Jochen Distelmeyer gerne grübelt. Nach 36 Minuten „Fun“ lacht nur noch der Albumtitel. Passenderweise orientieren sich Die Nerven musikalisch auch an Blumfeld zu „Verstärker“-Zeiten, an den Goldenen Zitronen, Fehlfarben, Tocotronic und natürlich Joy Division.
„Das ist immer noch dein Leben, auch wenn du selbst nichts mehr entscheidest“, brüllt es da thematisch passend oder: „Was auch immer wir jetzt lernen, ist mit Sicherheit nicht wichtig“. Aufgenommen wurde „Fun“ mit dem Rücken zu einer Wand aus Verstärkern und Lautsprechern, einer sprichwörtlichen „Wall of Sound“. Und es gibt Stellen auf diesem Album, an denen man das spüren kann, wenn man nur laut genug macht. Zum Beispiel in der Mitte von „Blaue Flecken“, in der die „Dosenbier und Nietengürtel“-Attitüde wegfällt und man die schwer hypnotischen, anschwellenden Gitarren eher den isländischen Klangkünstlern von Sigur Rós zuschreiben würde.
Oder im schwelenden „Angst“, dem ausufernden Highlight des Albums, das mal eben im irrsten Punk-Hit des Jahres gipfelt: „In meinem Kopf spielen sich Dinge ab, die keiner verstehen will“ – hätten Tocotronic nicht besser sagen können.